Friday, May 7, 2010

Paris und "Was wäre wenn.."

Mein erster Tag in Paris neigt sich langsam seinem Ende zu. Und es war ein anstrengender Tag..
Ich bin heute Nacht um etwa 00.30 Uhr mit einer Mitfahrgelegenheit in Paris angekommen – war jedoch erst kurz vor 3.00 Uhr bei der Freundin, bei der ich die Tage in Paris unterkomme. Was habe ich bloß diese ganze Zeit gemacht? Zunächst einmal wollte ich mit der Métro zu ihr fahren. Stellte jedoch fest, dass es in Paris das gleiche System wie in London gibt, nämlich dass mensch nur zum Gleis kommen kann, wenn vorher bereits ein Ticket gekauft und am Durchgangs-Automaten (wie nennen sich diese Dinger?) eingescannt wurde. Ich konnte aber leider keinen Automaten zum Kauf eines Tickets finden und der Schalter war gerade nicht besetzt. Ich rannte hin und her, suchte nach Menschen. Schließlich fand ich eine nette Französin, die mir helfen wollte. Auch sie fand keinen Automaten und spendierte mir deswegen freundlicherweise eine Fahrt mit ihrem Monatsticket. Aber leider war es schon zu spät, die letzte Métro für die Nacht war bereits abgefahren. Ich ging wieder hoch und in die Richtung einer anderen Métro-Station in der Hoffnung, dass dort noch etwas fuhr. Ich fand die Station zwar, kam aber ein paar Minuten zu spät für die letzte Fahrt an.
Auch Busse und andere öffentliche Verkehrsmittel fuhren nicht mehr. Ich musste wohl mit meinem schweren Rucksack nachts in einer fremden Stadt zu Fuß gehen.. (Taxi kam für mich nicht in Frage - ich will es mir ja nun nicht so einfach machen ;). Es war eigentlich eine ganz gute Übung für den Anfang meines allein-und-ungeplant-Reisens. Ich lief zwar manches Mal nicht ganz richtig, einmal fast im Kreis, da ich mich nur mit den sporadisch vorkommenden und nicht so genauen Bushaltestellen-Fahrplänen orientieren konnte, kam aber an meinem Ziel an. Unterwegs fragte ich ab und an nach dem Weg (auf Französisch – es war in den letzten zwei Jahren doch nicht verloren gegangen, nur etwas eingeschlafen :) und kam so ins Gespräch mit einem netten, jungen Mann aus Kanada, der seit einigen Monaten in Paris lebte. Er begleitete mich das letzte Stück, da er in die gleiche Richtung musste, und wir unterhielten uns übers Reisen. Nur der Französisch-Englisch-Misch-Masch war etwas verwirrend, da wir uns nicht recht für eine Sprache entscheiden konnten..
Als ich endlich da war, fiel ich nur noch müde ins – äh – auf die Isomatte. Aber obwohl ich so müde war gingen mir trotzdem die bereits gefundenen Eindrücke aus Paris und die Fahrt noch lange durch den Kopf.

Die Fahrt war sehr interessant – ich hatte diese Vorahnung bereits als ich noch in Karlsruhe auf den Fahrer wartete. Ich fuhr mit zwei Cosmopoliten. Einem scheinbar recht hohen Tier in einer Automobilfirma, der Süd-Tiroler Herkunft war, in Frankreich studiert hatte, in München arbeitete und mit seiner französischen Frau und ihrem gemeinsamen Sohn in der Nähe von Paris wohnte. Und mit einem französischen Dokumentar-Filmer, der schon in jedem Land im Rahmen seiner Arbeit gewesen zu sein schien, und mit seiner deutschen Frau und ihren Kindern in Freiburg wohnte.
Die beiden hatten viel Interessantes zu erzählen, vor Allem der Dokumentar-Filmer hatte schon viel gesehen und erlebt – zum Beispiel war er an Bord mit Sea Shepherds während sie eine Waljagd verhinderten. Aber vor Allem fand ich interessant, dass auch diese beiden doch so sehr in der Gesellschaft und dem Kapitalismus verankerten Menschen, viel, viel Kritik äußerten am System. Bei dem, was sie so sagten, fragte ich mich wie sie trotz dieser Einsichten und Erfahrungen nicht auch zusammenpackten und gingen. Ich weiß natürlich nicht, was die Gründe sind, ich kann mir nur vorstellen, dass sie vielleicht zum Einen immer noch an das Grundsystem glauben und denken, dass es nur verbessert werden müsse, zum Anderen wird es wohl auch die Angst sein – die Angst vor dem Unbekannten, die Angst, die sichere Umgebung zu verlassen und die Angst, dass es keine Alternative gibt. Wenn wir uns nie auf die Suche nach ihr begeben, können wir immer die Hoffnung bewahren, dass es sie doch irgendwo gibt.
Auch ich habe diese Ängste. Ich weiß aber nicht, warum ich dennoch gehe. Vielleicht weil ich jung bin und noch nicht richtig eingespannt wurde in das System.. Vielleicht auch weil es mir so schwer fällt mich an alle dortigen Regeln zu halten – ich beherrsche es nicht mich an Regeln zu halten, die ich nicht für richtig halte. Ich beherrsche es nicht, runter zu schlucken und abzuwarten. Ich meine das keinesfalls negativ gegenüber denen, die es beherrschen. Das ist prinzipiell eine wertfreie Eigenschaft, sie kann negativ, aber auch positiv sein – so könnte sich zum Beispiel erst einmal im System hochgearbeitet werden um es dann von Innen heraus zu verändern und zu verbessern. Oder es könnte Geld gespart werden dadurch und dann damit ausgestiegen und eine Stück Land oder Ähnliches gekauft werden. Ich hatte mir diese Möglichkeiten überlegt, aber es liegt mir einfach nicht.. Also werde ich wohl arm und machtlos bleiben ^^

Was mich etwas erschaudern ließ auf der Fahrt: Die beiden kamen irgendwann darauf, dass es eigentlich das Beste wäre, wenn alle sich ein Stück Land kauften und autark lebten und sie fragten sich, was dann geschehen würde. Dass wohl eine Revolution ausbrechen würde und alles lahm gelegt wäre.
Ich erschauderte, weil ich mir drei Tage zuvor die Frage stellte: Was wäre, wenn alle täten, was sie glücklich machte? Ich hatte bereits angefangen einen Text dazu zu schreiben und mir zu überlegen: Was wäre wenn? Und was hält uns davon ab?
Ich dachte mir ebenfalls, dass wohl eine Revolution ausbrechen würde – aber keine gewalttätige, wütende, sondern eine friedliche Revolution. Eine Revolution des nicht „Nicht-Tuens“, die nur daraus besteht, nicht mehr zu tun, was nicht gewollt wird, nicht mehr unterstützen, was korrupt und zerstörerisch ist, nicht mehr an dem System teilhaben – sondern aussteigen.

Nun mögen wohl einige sich denken, dass Chaos herrschen würde und es doch zu Zerstörung kommen würde. Und das mag vielleicht auch richtig sein – aber das muss nicht negativ sein bzw. bleiben. Das Wichtige wäre danach nicht wieder zu allem Negativen zurückzukehren, sondern aus dem Chaos etwas Neues, möglicherweise nie zuvor da Gewesenes, zu gebären. Eine neue Form des Miteinanders – mit uns selbst, mit anderen Menschen, mit anderen Tieren, Pflanzen, dem Planeten und Allem, was es sonst noch gibt. Natürlich wünsche ich mir selbst aber eine friediche Revolution! Oder eher eine Evoution.
Ich bin davon überzeugt, dass der Moment kommen wird, in dem die meisten, wenn nicht alle Menschen mutig sind, auszusteigen, nicht mehr mitzumachen bei dieser Verrücktheit. Und was jetzt getan werden kann bis es soweit ist, ist dass sich Einige schon auf den neuen Weg machen, um es den Anderen dann später einfacher zu machen. Und dass Erfahrungen und Einsichten festgehalten werden.
Jedes Ende ist auch ein Anfang. Und es kann ein wunderbarer Anfang sein.

(Ich finde es übrigens gerade sehr passend, dass ich in Paris bin, dem Zentrum der französischen Revolution. Ich bleibe gespannt, was noch alles passen wird im Lauf meiner Reise.)

1 comment:

  1. In der Zeiten der Französischen Revolution sind viele Menschen, auch unschuldige, einen Kopf kürzer gemacht worden. Und das, was als ein schöner Traum angefangen hat, endete im Blutbad. Und die, die am lautesten von Freiheit und Brüderlichkeit geschrien haben, rafften anschließend die hohe Regierungsposten an sich und wurden korrupt, reich und gleichgültig zu allem was sie nicht persönlich betraf - genauso wie die Vorgänger, die von ihnen für das Selbe geköpft wurden. So verlief es bis jetzt in jeder Revolution. Und so wird es immer sein, bis jeder, wirklich jeder, Mensch friedlich und genügsam ist. Aber es ist nun mal nicht so - es gibt machtgeile und geldgierige Menschen die von nichts zurück schrecken um ihre Ziele zu erreichen. Und zwar nicht nur "da oben", sondern auch um Dich herum. Und so lange es sie gibt, ist irgendein System das Einzige, was auch Dir ein relativ sicheres Leben ermöglicht. Das unser jetziges System korrupt und unfair ist und geändert werden muss, ist keine Frage, und Deine Überlegungen in Richtung "Reichtum und Macht erreichen und die dann zur Veränderung nützen" waren schon realistischer.
    Aber Du bist Jung, mache deine eigenen Erfahrungen.

    ReplyDelete