Friday, May 14, 2010

Endlich in Montpellier und das "Warum"

Als ich mich vor zwei Tagen aufmachte um nach nach Montpellier zu trampen, hatte ich ein ungutes Gefühl. Die Stelle, die ich zum Trampen fand, war sehr unübersichtlich und die Autos hätten schlecht für mich halten können. Es hielt jedoch kurz ein Lastwagenfahrer um mir zu sagen, wo eine bessere Stelle war und andere Tramper sich immer hinstellten. Dort hin zu kommen war ein kleines Abenteuer, da es knapp nach der Auffahrt war und schon auf der Autobahn. Als ich da war, musste ich nicht lange stehen, vielleicht ein paar Minuten, und schon hielt ein Auto. Die Stadt, die der Fahrer mir nannte, kannte ich nicht, aber ich fragte ihn, ob es auf meinem Weg lag. Es schien so und ich stieg ein. Als wir im Auto noch einmal darüber redeten, stellte sich heraus, dass er in die andere Richtung fuhr. Wir waren jedoch schon ein paar Kilometer gefahren.. Er überlegte und ließ mich dann an einer Stelle raus, wo ich weiter in die richtige Richtung trampen konnte. Als ich bereits ausgestiegen war, fand ich die Stelle aber viel zu gefährlich und wollte die Autobahn verlassen und zurück laufen. Das war allerings sehr schwierig, da diese umzäunt war und ich mit meinem schweren Rucksack kaum klettern konnte. Ich fand dann aber eine kaputte Stelle um durchzukommen und ging den Weg zurück. Das war ein Punkt, an dem ich ziemlich fertig war – ich hatte nur sehr kurze Nächte hinter mir und nun das.. Ich wusste nicht, wo ich war und an welcher Stelle ich gut trampen konnte, meine Nerven lagen blank. Diese Flut an Erlebnissen wurde zu viel für mich. Während ich die Autobahn entlang zurück ging, entdeckte ich die Rhône. Ich hatte mir die Nacht vorher erhofft an die Stelle zu kommen, an der die Autobahn den Fluss kreuzt und wusste nun in etwa wo ich war. Ich entschied mich dafür, eine Pause zu machen und mich an den Fluss zu setzten. Es war bereits 16 Uhr, bis nach Montpellier brauchte ich 4 Stunden und ich wusste nicht, wo ich dort schlafen sollte – deswegen entschied ich mich dazu mir am Fluss eine schöne Stelle zu suchen und dort mein Zelt aufzuschlagen um nicht wieder nachts mir an einem fremden Ort einen Schlafplatz suchen zu müssen. Und auch um mich endlich auszuruhen, was dringend notwendig war. So hatte ich also meine Stelle gefunden, mein Zelt aufgebaut und konnte mir einen schönen, ruhigen Abend machen und sehr lange und halbwegs entspannt schlafen. Während ich über den Tag nachdachte, fiel mir auf, dass das Missverständnis mit dem Fahrer, meine Schuld war. Ich hatte ihm die falsche Autobahn genannt, und zwar genau die, die er nehmen wollte. Ich fragte mich, ob es nicht auch genau so wie es war, gut war und ich mir selbst dadurch ermöglicht hatte, mich etwas auszuruhen. Nach neun Stunden Schlaf – was so unglaublich lange und gut war – war ich mir am Morgen nicht sicher, ob ich wieder trampen konnte, da es wieder stark nach Regen aussah. Mittags hellte es aber kurz auf und ich nutze den Moment aus um alles zusammen zu packen. Das gute Wetter hielt an und ich schätzte, dass ich noch zwei trockene Stunden hatte um weiter zu trampen. Direkt an der Autobahn waren mir die Stellen aber zu gefährlich und ich fand, dass das Schild, das ich hatte, auch zu klein war. Ich suchte und fand direkt einen größeren Karton. Ich entschied mich dazu, an einer kleinen Auffahrt zu stehen – rechnete aber damit dort lange warten zu müssen, da nur wenige Autos vorbei fuhren. Ich schrieb groß A7 drauf, drehte das Schild zu den vorbeifahrenden Autos, wollte es mir gerade gemütlich machen, als es hinter mir hupte. Es hatte schon ein Auto angehalten. Der Fahrer meinte, dass die Stelle, an der ich Stand nicht so gut war, er zwar woanders hinfuhr, mich aber zur nächsten Mautstation (péage) bringen konnte, wo ich bessere Chancen hatte. Ich war total verdutzt vor lauter Nettigkeit! Dort angekommen, stand ich eine Minute bis ein Auto anhielt. Der Fahrer fuhr zu einer Stadt, die etwa auf der Mitte des Weges lag. Ich war mir zwar nicht sicher, ob ich da wieder gut wegkommen würde, stieg aber trotzdem ein. Als er mich dann wiederum zwei Stunden später an einer péage rausließ, sah ich ein Restaurant, ging dort schnell auf die Toilette und dann wieder zurück zur péage. Ich war noch nicht mal angekommen, hatte das Schild noch nicht gezeigt, als direkt ein Auto hielt. Wie sich rausstellte, wollte der Fahrer auch noch genau nach Montpellier. Es passte alles zusammen, als ob ich den Weg genauso geplant hatte. Was für ein glücklicher Zufall ;) Für Montpellier hatte ich eine CouchSurfing-Gelegenheit gefunden, wo ich auch jetzt gerade bin, und finde es unglaublich entspannend hier zu sein. Die Hosts (ein Paar) sind unglaublich (!!) nett und warmherzig, es ist hier auch gerade eine andere Surferin aus Deutschland und es ist schön mal wieder Deutsch zu sprechen. Ich konnte hier auch noch einen weiteren Tag bleiben um dann heute Mittag in aller Ruhe nach Barcelona zu trampen.
Die letzten Tage waren sehr anstrengend. Nicht mehr als eine Nacht an einem Ort zu bleiben, der Stress, sich in der Fremde einen Schlafplatz suchen zu müssen, in einer immer noch recht fremden Sprache zu sprechen, die neuen Erlebnisse beim Trampen, das Gewicht der Tasche, die ständige Ungewissheit, wo ich morgen bin.. Ich bin all diese Dinge noch nicht gewöhnt und die drei Tage haben mich sehr geschlaucht – vor Allem psychisch. Als ich gestern am Fluss zeltete und schon ein bisschen mehr Ruhe hatte, fiel mir auf, dass ich zwar mit meinem ersten Text in diesem Blog erklärt hatte, wie ich dazu kam, das zu tun, was ich tue, aber ich habe nicht wirklich geschrieben, warum ich es tue. Das habe ich mich gestern dann selbst gefragt: Warum mache ich das eigentlich? Und mir fiel auf, dass ich darauf keine klare Antwort geben konnte. Mir fielen ein paar mögliche Gründe ein, aber irgendwie beantworteten sie nicht wirklich das „Warum“. Vor Allem: Warum mache gerade ich das eigentlich? Ich bin ein ungemein bequemer, oft auch fauler Mensch. Ich mag die Sicherheit und Ruhe. Ich habe lange Zeit keine wirklichen Entscheidungen treffen wollen und bevorzugte es, mich treiben zu lassen. Ich bin recht ängstlich und besonders wenn es um meine körperlichen Fähigkeiten geht, bin ich sehr unsicher. Und doch setzte ich mich solch starken Erlebnissen aus. Als ich mich fragte, warum gerade ich das mache, fiel mir doch eine Antwort ein für das „Warum“ – wenn es auch sicherlich noch weitere gibt. Ich will werden, wer ich wirklich bin, tief in mir drin. Ich will auf die Suche gehen nach meinem wahren Ich und es heraus kramen. Das bequeme Ich, das faule Ich ist ein Ergebnis von äußerlichen Einflüssen, der Gesellschaft. Es ist auch eine Reaktion auf die Gesellschaft. Es ist nicht der Mensch, der ich wirklich bin, unabhängig von dem Äußeren. Und um an mein wahres Ich heran zu kommen, kann ich nicht in meiner gewohnten Umgebung bleiben und gewohnte Dinge tun. Ich muss mich da herausreißen und mich in eine vollkommen neue Welt setzen und vollkommen neue Dinge tun – und das immer wieder, bis ich durch all das Fremde und Neue mich selbst wieder finde. Ich glaube, wie ich schon einmal sagte, dass der Mensch ein ungemein schönes und starkes Wesen ist, aber so wie wir aufwachsen und leben geht fast all die Schönheit verloren. Wir werden schwach und unsicher, wir denken nicht mehr klar, weil wir Angst haben, wir sind unglaublich leicht beeinflussbar und verletzlich. Aber das muss so nicht bleiben, wir können wieder die Schönheit in uns selbst entdecken. Doch wir können das nicht tun, indem wir in der Welt bleiben, die sie uns weggenommen hat.

P.S.: Ein Bild gibt es aus Montpellier auch noch ;)

1 comment:

  1. Mmmmmh, einen dicken Knutscher für den letzten Abschnitt! <3

    Ich finde es spannend, aufregend und bewundernwert was du gerade tust und freue mich SEHR, dass du uns in diesem Detailgrad daran teilhaben lässt - alle Höhen und Tiefen, Stärken und Schwäche, was du fühlst, was du denkst. Ehrlich und offen. Du bist toll!

    Ganz viel Erfolg und viele tolle Erfahrungen wünsche ich dir!

    Liebe Grüße,

    Dennis aus Aachen

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