Er schaute sich im
Wohnzimmer um und sah eine Sofagarnitur, einen Couchtisch, einen 32
Zoll Fernseher und eine Musikanlage. Er fragte sich, was sie wohl
meinte. Sie sah seine Frage und machte mit ihrem Arm eine schweifende
Bewegung über den Raum: „Das alles ist nichts. Nur
Konsumgüter. Nichts dahinter. Wir sind arm. Wir haben nichts.“
„Was fehlt uns?“
„Alles!“
Er seufzte und
nahm die Fernbedienung in die Hand. Sein Finger war bereits auf dem
roten Anschalteknopf.
„Nein, warte!
Ich erklär's dir!“
Er schaltete den
Fernseher noch nicht ein, behielt die Bedienung aber in der Hand. Er
blickte sie wartend an.
„Genau in diesem
Moment sehen wir, wie arm wir sind!“ Sie zeigte auf die
Fernbedienung.
„Weil wir uns
leisten können einen Fernseher zu haben?“
„Nein!
Andersrum!“
Er runzelte die
Stirn und fragte sich, ob sie vielleicht nicht gut geschlafen hatte.
Sie schien wieder seine Gedanken lesen zu können und wurde
wütend.
Ihr Stimme wurde
lauter, überdreht. „Weil wir es uns nicht leisten können,
keinen Fernseher zu haben!“
Er schaute auf den
Fernseher und fragte sich, ob sie das Gespräch irgendwie dahin
lenken wollte, dass sie sich einen neueren, größeren
Fernseher kaufen sollten.
„Idiot!“ Sie
stand auf und verließ das Zimmer. Aber nur um wenig später
wieder zurück zu stampfen. Er hatte den Fernseher in der
Zwischenzeit eingeschaltet. Sie stellte sich zwischen ihn und dem
Programm und hob ihre Stimme um die der Talkshow-Masterin zu
übertönen: „Wir können uns nicht unterhalten! Wir
können keinen Tag miteinander verbringen, ohne die blöde
Kiste anzuschalten! Wenn wir ein paar Worte miteinander wechseln,
dann nur um uns entweder auf den Sender zu einigen oder um über
das zu reden, was wir im Fernseher gesehen haben!“
Sie wartete auf
eine Antwort. Im Hintergrund versuchte die Talkshow-Masterin ein sich
streitendes Paar zu beruhigen. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Außer: „Schrei nicht so, die Nachbarn werden uns noch hören.“
Sie wurde zornig.
„Die Nachbarn? Die Nachbarn sind damit beschäftigt eine
Telenovela anzuschauen. Und wenn sie die Schauspieler wegen mir nicht
gut hören können sollten, sollen sie den Ton doch einfach
lauter drehen. Das ist doch so praktisch am Fernseher! Alles können
wir tun, und dabei müssen wir nur unsere Finger ein wenig
bewegen!“ Sie rannte wieder aus dem Zimmer.
Die Werbung lief,
er schaltete um. Als er sich gerade entspannte und über einen
Witz auflachte, den der Gameshow-Moderator gemacht hatte, polterte
sie wieder ins Zimmer.
„Ist unser Leben
ohne Fernseher so langweilig? Bin ich dir zu langweilig?“
Er schaute sie an
und wunderte sich, warum sie sich so aufregte. In letzter Zeit tat
sie das öfters. Seit dem sie sich mit dieser Öko-Hippie-Tante
aus dem ersten Stock angefreundet hatte. Die redete ihr wohl diese
Verrücktheiten ein.
Sie wartete keine
Antwort ab: „Wir haben so viel Kram! Und warum? Wozu haben wir das
alles?“
Im Hintergrund
fing die Werbung wieder an. Er wollte umschalten, entschied sich dann
aber doch dagegen um sie nicht wütender zu machen. Die Nachbarn
drehten den Ton ihrer Telenovela auf. Auch sie drehte ihren Ton auf.
„Wir haben das alles, weil wir innerlich leer sind! Wir brauchen so
viel Kram, Kram, Kram! Weil in uns nichts ist! Absolut nichts!
Wüste!“
Er schaute auf die
Uhr. Gleich fing seine Lieblingsserie an. Sie öffnete den Mund
um wieder etwas zu sagen. Er richtete die Fernbedienung auf sie und
drückte den Aus-Knopf. Sie verschwand. Er richtete die
Fernbedienung wieder auf den Fernseher und wechselte den Sender. Die
Anfangsmelodie der Serie ertönte. Er war erleichtert und
lächelte, er hatte nichts verpasst.
No comments:
Post a Comment