Nach dem mich die Sehnsucht nach Salsa
gepackt hat, bin ich am Sonntag in einen Salsa-Club gegangen. Und
was mir dort passiert ist, ist so irreal, ich würde denken, es
sei ein Traum, wenn ich nicht die eingespeicherte Nummer und den
Facebook-Account als Beweis hätte, dass es doch tatsächlich
stattgefunden hat.
Schon relativ früh am Abend ist mir einer der
Tanzenden aufgefallen, irgendwie kam er mir bekannt vor, doch ich
konnte ihn zunächst nicht zuordnen. Schnell stellte ich jedoch
fest, dass er so aussah, wie ein Deutscher, den ich in Beneficio
kennen gelernt hatte. Aber der „Zufall“ schien mir zunächst
zu groß zu sein. Oder könnte es doch sein? Ich erinnerte
mich daran, dass er damals darüber sprach nach Berlin zu ziehen, in
Beneficio war er nur für ein paar Monate während er auf den
Semester-Beginn wartete. Er lernte dort Spanisch und Gitarre zu
spielen, vor Allem konzentrierte er sich auf den Flamenco-Stil. Dass
er jetzt in Berlin Salsa tanzen würde, schien nach einigem
Nachdenken also durchaus plausibel. Irgendwann sprach ich ihn dann
einfach an und tatsächlich, er war es. Wir haben uns dann eine
ganze Weile unterhalten, sind einen Stück des Heimweges
gemeinsam gefahren und haben am Ende noch Nummern und Facebook-Namen
ausgetauscht.
Ich kann nicht anders, als zu denken,
dass dies ein Zeichen war. Gerade jetzt, wo ich kurz vor der
Entscheidung stehe, nach Beneficio zu gehen, treffe ich einen der
Leute, die ich an meinem ersten Tag in Beneficio kennen gelernt habe!
Ich habe ihm von meiner Sehnsucht nach
Beneficio erzählt und davon, dass ich möglicherweise bald
wieder dorthin zurückkehren werde. Wir haben über die ...
sagen wir mal „schwierigen“ Menschen dort gesprochen, und ich
wurde dadurch wieder deutlicher daran erinnert, dass dort sehr viele
keine sonderlich hohen Ansprüche in Sachen Selbstversorgung,
Gemeinschaft usw. haben. Sein persönlicher Rat war, in Berlin zu
bleiben und mein Studium weiter zu machen.
Seitdem ich darüber nachdenke,
nach Benefcio zurück zu kehren, wünschte ich mir, mit
jemandem darüber zu sprechen, der dort länger war. Und nun
hatte ich diesen Wunsch erfüllt bekommen. Entsprechend ernst
muss ich diesen Rat nehmen, denn da sprach schließlich jemand,
der weiß wie es in Beneficio so ist.
Schon allein die Tatsache, dass es
gerade jetzt dazu kam, dass ich jemanden aus Beni in Berlin wieder
traf, bringt mich schon sehr durcheinander in meinem
Entscheidungsprozess. Ich bin tatsächlich an einem Punkt, an dem
ich bei beiden Wegen Vor- und Nachteile sehe, sodass es mir schwer
fällt, mich eindeutig für einen der beiden zu entscheiden.
Beide Wege fühlen sich fast gleich real oder eher irreal an. Das
hat mich zum Grübeln gebracht, sodass ich mich jetzt frage, ob
ich mich nicht vielleicht intensiver nach noch weiteren potentiellen
Wegen umschauen sollte um vielleicht doch noch einen zu finden, bei
dem ich ganz klar „Ja!“ sagen kann.
Ich habe gestern mal damit
begonnen und kam schon mal auf zwei weitere Möglichkeiten:
Zum einen könnte ich länger in Berlin bleiben, aber nicht
oder weniger um zu studieren, sondern um mir mehr Zeit zu geben
darüber tüfteln zu können, welche Schritte ich gehen
möchte, welche Möglichkeiten ich habe und um meine
finanzielle Situation zu verbessern. Zum anderen könnte ich
jetzt das tun, was ich eigentlich vorhatte, als ich vor bald zwei
Jahren aufgebrochen bin nach Beneficio: Reisen und mir verschiedene
Kommunen und Projekte anschauen.
Bei beiden Möglichkeiten muss ich
sagen, dass sie grundsätzlich attraktiv sind, mein Herz aber
dennoch bei keiner von beiden wirklich höher schlägt. Am
Stück lange low-budget und ungeplant reisend unterwegs zu sein
ist, wie ich mittlerweile festgestellt habe, sehr anstrengend und ich
weiß nicht, ob ich schon die Nerven dafür habe. Wenn ich
in Berlin bleibe, besteht die Gefahr, dass mein bisher angespartes
Geld einfach verrinnt, da hier das Leben allgemein etwas teurer ist
und dazu noch Miete, Strom, Heizung usw. kommen. Monatliche Fixkosten
von 250-300 Euro, welche ich in Beneficio einfach nicht habe. Auch
das Umherreisen ist aus finanzieller Sicht schwierig. Die Gefahr ist
groß, dass man aus Müdigkeit trotz allen guten Vorhaben
immer wieder öffentliche Verkehrsmittel und Taxis nimmt und an
Zeltplätzen schläft. Ich möchte nicht nach einem Jahr
reisen wieder mit nichts da stehen..
Trotzdem werde ich länger darüber
nachdenken und die beiden weiteren Wege in Erwägung ziehen.
Und ich werde auf jeden Fall auch nach
noch weiteren Möglichkeiten, meine nächsten Jahre zu
gestalten, suchen und wenn jemand einen Vorschlag hat, dann nur her
damit!
So wie die letzten Monate weiter
machen, kann ich nicht und es erfüllt mich nicht. Ich brauche
einen tiefsinnigen und wertvollen Plan und Studium sehe ich zwar als
interessant an, als schöne Sache nebenbei, aber nicht
weltbewegend.. Sicherlich kann man mit manchen Studiengängen
bestimmt später viel reißen, aber diese Wege sind nicht
interessant für mich. Ich bevorzuge es praktische
Lebenserfahrung zu sammeln, ich will wissen, wie man ein Haus aus
Natur-Materialien baut, wie man sehr simpel Energie aus Sonne,
Wasser, Wind und Biogas gewinnen kann, wie man näht, wie man
Stoffe selbst herstellt, wie man in Harmonie mit der Mitwelt
gärtnert, wie man später so mit seinen Kindern leben kann,
dass diese selbstbewusste, lebensfrohe, empathische, spirituelle
Menschen werden/bleiben, die mit einem großen Wissen in vielen
Bereichen ausgestattet sind und so dem Leben stark begegnen können.
Ich möchte nicht Jahre lang
unglücklich leben, in der Hoffnung, dass ich irgendwann das Geld
angespart habe, mir ein Stück Land kaufen zu können um all
diese Dinge tun zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass mir das
gelingt, ist so gering, und die Wahrscheinlichkeit nach all den
Jahren immer noch mit fast nichts da zustehen, ist so hoch – dass
ich mich frage, ob es nicht mehr Sinn macht, jetzt schon zu einem
großen Teil so zu leben, wie ich es möchte und zu hoffen,
mit meinen kreativen Produkten über die nächsten Jahre
hinweg Geld sparen zu können. Falls dies nicht klappt, habe ich
nicht Jahre verschwendet, sondern habe die ganze Zeit im Prinzip
schon so gelebt, wie ich es auf einem eigenen Stück Land getan
hätte. Und ich hätte so viel von den Dingen gelernt, die
mich wirklich und dringlich interessieren.
Wow. Jetzt habe ich so lange
geschrieben bis ich wieder an dem gleichen Punkt ankam wie vor der
Begegnung im Salsa-Club. Ich möchte gerne Eure Meinung hören,
Eure Widersprüche, Zustimmungen, falls Ihr Fehler in meinem
Denken entdeckt, möchte ich das wissen! Ich werde wahrscheinlich
nicht zu allem eine Antwort schreiben, aber ich werde auf jeden Fall
jede Meinung lesen und darüber nachdenken!
Ich nehme diese Entscheidung sehr ernst und ich möchte outside the box denken!